Judo ist eine Sportart, von der eigentlich Jeder schon gehört hat und doch wissen nur Wenige, um was es in dieser Sportart eigentlich geht.
Der Eine erinnert sich beim Begriff „Judo“ vielleicht an die erste olympische Goldmedaille 2004 in Athen von Yvonne Böhnisch, oder hat Bilder von Ole Bischof vor Augen, der 2008 nach dem Gewinn der Goldmedaille seinen Trainer auf den Schultern jubelnd durch die Halle trug. Andere sehen einfach zwei Menschen an zwei weissen Kitteln rumzerren oder stellen sich etwas eher Meditatives vor. Doch was ist Judo denn nun eigentlich wirklich?
Das Faszinierende an Judo ist, dass man diese Sportart nie „ausgelernt“ hat. Man kann 30 Jahre intensiv Judo trainiert haben und doch begegnen einem Judoka immer wieder neue Techniken oder Varianten einer Technik. Im Laufe der Jahre können Techniken durch Regeländerungen oder trainingswissenschaftliche Aspekte verändert oder angepasst werden. Das Repertoire eines Judoka ist nie vollkommen, die Ausführung einer Technik nie fehlerfrei. Einen guten Judoka zeichnen Bescheidenheit, hohes Durchhaltevermögen und einen enormen Lernwillen aus. Das sind Qualitäten, die auch im Leben neben der Matte sehr hilfreich sind.
Judo findet ihren Ursprung in verschiedenen japanischen Kampfkünsten, hat sich inzwischen jedoch zu einer faszinierenden olympischen Sportart entwickelt und geniesst auf allen fünf Kontinenten hohe Popularität. Judo - aus dem Japanischen übersetzt „der sanfte Weg“ - basiert auf 2 Prinzipien.
Sei-Ryoku-Zen-Yo
Das technische Prinzip „Siegen durch Nachgeben“ oder auch „Bester Einsatz vorhandener Kräfte“ - ist eines der beiden Prinzipien, auf welchen Judo basiert. Jigorō Kanō, der Begründer der Sportart Judo, wollte damit den Begriff JU („sanft, geschmeidig, nachgebend“ übersetzt) verdeutlichen. Dies zeigt sich im Judoalltag durch das Ausnutzen von Bewegungen und Schwachpunkte des Gegners. Dabei spielt das sinnvolle Einsetzen des eigenen Gewichtes und der eigenen Kraft eine grosse Rolle. In der Praxis hat ein ehemaliger Wettkämpfer dies wie folgt erlebt:
„Wir hatten noch eineinhalb Minuten zu kämpfen und mein Gegner machte Druck. Ich ging rückwärts, immer wieder rückwärts, den Mattenrand in meinem Rücken, er griff an, ich lief weg. Er schob und schob und ich drehte mich auf einmal um und setzte einen Tai-o-toshi an. Es war als ob er nichts wiegen würde. Es war eine saubere Judotechnik. Wie eine Feder sauste er an meinen Armen vorbei und viel platt auf den Rücken. Es war als hätte er sich selber geworfen...“ (1)
Ji-Ta-Kyo-Ei
Das 2. Prinzip spricht die moralische Seite dieser Sportart an. Übersetzt könnte es „Gegenseitiges Helfen für den wechselseitigen Fortschritt und das beiderseitige Wohlergehen“ bedeuten. Jigoro Kano wollte zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr als nur eine Zweikampfsportart entwickeln, er wollte vielmehr eine Lebenseinstellung vermitteln. Mit diesem zweiten Prinzip möchte er uns den Begriff DO („Weg, Prinzip, Grundsatz“) näherbringen. Beim Training kommt dieses Prinzip zur Anwendung durch Rücksichtnahme auf Alter, Geschlecht und die körperliche und technische Entwicklung des Trainingspartners. Schon von klein auf lernt ein Judoka Verantwortung für seinen Partner und Gegner zu übernehmen. Deshalb hat Judo auch einen hohen erzieherischen Wert.
Traditionell steht Judo auf zwei Säulen, welche noch immer beide praktiziert werden – auf der einen Seite die Kata, eine Art Kür und auf der anderen Seite der Shiai, der Wettkampf.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden gewisse Formen für den Wettkampf angepasst bzw. viele ursprüngliche Waffen-, Tritt- und Schlagtechniken sowie alle Hebel außer Ellbogenhebel wurden entfernt. Waffen-, Schlag- und Tritttechniken finden wir jedoch in verschiedenen Kata-Formen wieder. Sie spielen dort eine massgebende Rolle.
Im Shiai gilt es, den Partner mit einer Wurf- oder Bodentechnik zu besiegen. Wertungen können im Stand mit Eindreh-, Fuss-, Selbstfall-, Abtauch-, Beingreif-, und Kontertechniken erzielt werden. Im Boden kann mit Halte, Würge- oder Hebeltechniken ein Kampf entschieden werden. Gelingt es, den Gegner mit Schwung auf den Rücken zu werfen und ihn 25 Sekunden auf dem Rücken festzuhalten, oder aber den Gegner durch eine Würge- oder Helbeltechnik zur Aufgabe zu zwingen, so wird dies mit Ippon bewertet und der Kampf ist entschieden. Gelingt die Technik nicht optimal, d. h. es fehlt bei einem Wurf eventuell an Dynamik oder der Gegner kann sich aus dem Haltegriff befreien, dann wird der Wurf oder der Haltegriff mit einer Teilwertung (Waazari und Yuko) bewertet.
Zusammenfassend ist Judo eine Sportart, die für jeden interessant sein kann, für jung und alt, für Leistungs- wie Breitensportler, für Frauen wie Männer und Menschen jeden Körperbaus. Kano wollte mit Judo, durch die dauernde körperliche und mentale Auseinandersetzung mit einem Partner und sich selbst, neben körperlichem Training einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leisten. Wer Judo einmal richtig kennengelernt hat, den wird diese Sportart nicht mehr loslassen.
Karin Ritler Susebeek
Quellenangaben
1. Wim Koesen: Ruska – Triomf en tragiek van een judokampioen, Uitgeverij Thomas Rap, Amsterdam 2011 übersetzt aus dem Niederländischen S.126
2. Ralf Lippmann und Karin Ritler Susebeek, Koordinationstraining im Judo 2. Erweiterte Auflage, Sportverlag Strauss, Köln 2006
3. Judo Manual, Otto Fend und Ulrich Klocke, Stiftung Judo & Ju-Jitsu Schweiz 1999
4. Ulrich Klocke, Judo lernen – 8. Bis 5. Kyu, Verlag Dieter Born und Sport Medien Service, Bonn 2005
5. Katsuhiko Kashiwazaki, Fighting Judo, Pelham Books Ltd. London, 1985
Quelle: www.trainingsworld.com